ABB – der unaufhaltsame Niedergang einer Industrie-Ikone
(der Artikel ist vermutlich nur für Abonnenten sichtbar. Bitte PN falls jemand pdf wünscht)
Inmitten des grössten Umbaus des Industriekonzerns ABB seit dem Zusammenschluss der Schweizer BBC und der schwedischen Asea 1988 wurde diese Woche Konzernchef Ulrich Spiesshofer entlassen. Ihm ist es misslungen, die seit Jahren versprochene Beschleunigung des Wachstums zu liefern – obwohl in fast allen Weltregionen die Wirtschaft auf Hochtouren läuft.
Spiesshofer verschleierte in der Medienmitteilung vom Mittwoch die Schieflage des Konzerns. Er liess sich zitieren, er übergebe seinem Interimsnachfolger Peter Voser «ein gut getrimmtes ABB-Schiff, dessen Kurs gesetzt ist und das Fahrt aufnimmt». Das Gegenteil ist wahr: In allen vier Geschäftsbereichen sind die Margen im ersten Quartal gesunken; in zwei Sparten schrumpfte auch der Umsatz. Der Gewinn pro Aktie ist ebenfalls im Sinkflug, was dem Vernehmen nach bei den Hauptaktionären, der schwedischen Wallenberg-Familie, auf Besorgnis stösst. Gut möglich, dass dies den Ausschlag gab für Spiesshofers erzwungenen Abschied.
In dreissig Jahren von weltweit 215 000 auf gut 100'000 Mitarbeiter
Nach der Fusion von BBC und Asea beschäftigte ABB weltweit zunächst 160'000 Mitarbeiter. Der erste Chef des neuen Gebildes, der Schwede Percy Barnevik, kaufte anschliessend wie wild 150 weitere Unternehmen dazu. Bald darauf zählte ABB 215'000 Mitarbeiter, der Umsatz wuchs um fast das Doppelte.
Die Schweiz ist vom Niedergang besonders betroffen. Zu den besten Zeiten beschäftigte BBC hierzulande 22'000 Mitarbeiter, davon alleine im Gründungsort Baden AG 15'000. Als Ulrich Spiesshofer sein Amt antrat, war diese Zahl bereits auf 7400 geschrumpft, stieg dann bis Ende 2014 leicht an auf 7540. Seither ging es abwärts. Mittlerweile beschäftigt ABB in der Schweiz noch 6700 Mitarbeiter. Mit dem Verkauf des Stromnetzgeschäfts an Hitachi wird diese Zahl auf 3900 sinken. Der laufende Umbau dürfte weitere Stellen kosten, vor allem am Hauptsitz in Zürich-Oerlikon und bei den Verwaltungsfunktionen von ABB Schweiz. Mit unter 4000 Mitarbeitern ist ABB, die in der Schweiz einst eine der grössten Arbeitgeberinnen war, bestenfalls noch ein kleines Grossunternehmen.
Ein Ende des Niedergangs von ABB ist nicht in Sicht. Denn der Verwaltungsrat hat beschlossen, den Erlös von rund 8 Milliarden Franken aus dem Verkauf des Stromnetzgeschäfts durch einen Aktienrückkauf an die Aktionäre auszuschütten. Damit ist klar, dass er keine Ideen hat, wie er das Geld in zukunftsträchtige Geschäfte stecken könnte.
ABB droht sogar eine weitere dramatische Verkleinerung. Die US-Beteiligungsgesellschaft Artisan Partners, die neu gut 3 Prozent der Aktien hält und damit der viertgrösste Aktionär ist, hat diese Woche gefordert, ABB solle sich in mindestens zwei weitere Geschäftseinheiten aufspalten. Der einstige Industriekoloss würde damit nicht nur in der Schweiz, sondern weltweit stark an Bedeutung verlieren.